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§. 2.

Je mehr Gutes in der Vorstellung einer Sache enthalten ist, je deutlicher wir das Gute einsehen, und je weniger Zeit erfordert wird, es völlig zu übersehen, desto größer ist die Begierde, desto angenehmer der Genuß.

a) Die Quantität der Motiven verhält sich also zusammen: gefeht wie die Menge des Guten, wie feine Deutlichkeit; und umgekehrt wie die Zeit, welche zum überdenken erfordert wird. b) Man sebe die Menge des Guten

m,

die Deutlichkeit = P,

die Zeit = t;

so ist die Quantität des Bewegungsgrundes

§. 3.

m p.

Eine Vorstellung kann also weniger deutlich seyn, und dennoch eine größere Gewalt haben, in unsern Willen zu wirken: 1) wenn sie eine größere Menge des Guten enthält; 2) wenn diese Menge geschwinder überdacht werden kann.

§. 4.

Ja wenn die Zeit, die zum Überdenken erfordert wird, sehr gering ist, so können die Begriffe so dunkel werden, daß sich die Seele weder des Bewegungsgrundes, noch ihrer eigenen Entschließung bewußt ist, und dennoch in dem Körper solche Bewegungen hervorbringen, die zu einer andern Zeit einen überlegten Rathschluß erfordert hätten. Denn obgleich die Kürze der Beit die Deutlichkeit vermindert, dergestalt, daß öfters gar das Bewußtseyn aufhört; so bleibt dennoch die Quantität der Motiven einerlei, weil an der Zeit gewonnen wird, was von der Deutlichkeit abgeht.

§. 5.

Aus den beiden vorigen §§. laffen sich unzählige Erscheis nungen erklären, die für viele Weltweise ein Stein des An stoßes gewesen sind. Ich will einige davon anführen.

1) Video meliora proboque etc. Wer kennt diesen Spruch, ohne zu wissen, wie schwer er sich mit irgend einem

philosophischen Systeme vertrågt? - Nach meinen Begriffen ist nichts natürlicher. Die Seele kann durch einen richtigen Vernunftschluß einsehen, A sei gut; und sich dennoch zu Bentschließen, wenn ihr die untern Seelenkräfte in B zwar dunkel, aber doch eine größere Menge des Guten, und in einer geringern Zeit vorstellen, wie solches in einer Leidenschaft, als von welcher der Dichter redet, -jederzeit wirklich geschieht.

2) Warum fährt Mancher vor Schrecken auf, wenn eine Kanone abgefeuert wird, ob er gleich schußfrei steht, und auch vorher überlegt hat, daß ihn die Kugel nicht treffen kann? Weil die überlegte Sicherheit durch einen langsamen symbolischen Schluß, die Idee der Gefahr aber anschauend in uns entsteht. Die anschauenden Begriffe folgen schneller auf einander, als die symbolischen; daher ist die Quantität ihrer Wirkung größer.

3) Man sieht auch, wie die Seele beim Reden, Schreiben, Klavierspielen u. s. w. vieles verrichten kann, ohne sich dessen bewußt zu seyn.

§. 6.

Sollen wir zu einem tugenhaften Wandel aufgemuntert werden, so muß man sich nicht begnügen, uns die Löblichkeit der Tugend nach aller Strenge demonstrirt zu haben, sondern man muß uns mit einer großen Menge von Bewegungsgründen bekannt machen; und wir müssen lernen, diese Menge von Motiven schnell zu überdenken.

a) Durch die Demonstration wird die Deutlichkeit vermehrt; die Menge der Motiven vermehrt die Anzahl der Vollkommenheiten; und die Fertigkeit, sie schnell zu überdenken, vermindert die Zeit.

b) Das Erstere geschieht in Princip. philosoph. practicae univers.; das Zweite in der Ethik; das Dritte hingegen wird erhalten: 1) durch die Gewohnheit, 2) vermittelst der anschauenden Erkenntniß.

Von der Gewohnheit.

Was die Gewohnheit auf unsern Körper vermag, überlasse ich den Physikern zu erklären. Ich will für dieses Mal nur einige ihrer erstaunlichen Wirkungen in unsere Seele betrachten, und einige Anmerkungen darüber machen.

§. 7.

Durch die Übung (welche mit der Gewohnheit einerlei Wirkung hat) wird eine jede Fähigkeit in unserer Seele zu einer Fertigkeit.

Eine Fertigkeit besteht in einem Vermögen, etwas so ge= schwind zu verrichten, daß wir uns nicht mehr alles dessen bewußt bleiben, was wir dabei vorgenommen. Nun wird zu einer jeden Verrichtung eine Folge von Begriffen erfordert, mit welcher in dem Körper eine Reihe von willkührlichen Bewegungen übereinstimmen. Diese Reihen von Begriffen folgen desto schneller auf einander, je genauer sie mit einander verbunden sind. Je mehr Ähnlichkeiten, Beziehungen und Verhältnisse unsere Seele zwischen den Begriffen wahrnimmt, die zu einer Handlung erfordert werden, desto schneller eilt die Imagination, von Einem auf das Andere zu kommen. Je öfter wir eine Reihe von Vorstellungen gehabt, desto mehr Verhältnisse und Beziehungen wird unsere Seele zwischen ihnen gewahr. Also können wir eine Reihe von Begriffen, die wir öfter gehabt, schneller überdenken, bis sie endlich in einer so kleinen Zeit auf einander folgen, daß sich unsere Seele derselben nicht mehr deutlich bewußt ist. Und alsdann sagen wir, unsere Fähigkeit sei zu einer Fertigkeit geworden.

a) Daher erschrickt man nicht, wenn man öfters Kanonen hat abfeuern sehen; weil es die Gewohnheit dahin gebracht, daß das Urtheil: die Kugel wird mich nicht treffen, so schnell entsteht, als die Idee der Gefahr, die durch den entseglichen Knall erregt wird.

b) Wer die Schlüffe der allgemeinen practischen Weltweisheit öfters überdacht, in ihrem Zusammenhange betrachtet, und in vorkommenden Fällen angewendet hat; der wird bei wichtigen

Vorfällen Wunder zeigen, wie viel die demonstrative Sittenlehre über die Neigungen und Leidenschaften vermag. Hat er es aber an übung fehlen lassen, so folgen die Begriffe, die zu seinem moralischen Schlusse erfordert werden, nicht schnell genug auf einander, wodurch ihre Wirksamkeit in den Willen merklich verringert wird.

c) So wie der Künstler die ihm vorgeschriebenen Regeln so oft ausüben muß, bis er sich in währender Ausübung der Regeln nicht mehr bewußt ist; eben so muß es der moralische Mensch mit dem Geseße der Natur machen, wenn er seine untern Seelenkräfte mit den obern in Harmonie bringen will.

Von der anschauenden Erkenntniß.

§. 8.

Wenn wir die symbolischen Schlüsse der practischen Sittenlehre in eine anschauende Erkenntniß verwandeln, d. h. wenn wir sie von den abstracten Begriffen auf einzelne. Begebenheiten in der Natur zurückführen und die Anwendung derselben aufmerksam beobachten, so erlangen sie dadurch eine größere Gewalt, in den Willen zu wirken.

a) In der Anwendung der allgemeinen Schlüsse auf bes sondere Fälle übersehen wir alle Theile und Folgen dieser Schlüsse auf einmal, die wir in der Theorie nur nach und nach überdenken können; wir vermindern also die Zeit, wodurch die Wirksamkeit vermehrt wird (§. 2.).

b) Die anschauende Erkenntniß erlangen wir: 1) durch die Erfahrung, d. i. wenn wir die symbolische Erkenntniß in besons dern Fällen selbst angewendet oder von Andern haben anwenden. sehen; 2) durch Beispiele, oder wenn uns die Anwendung der allgemeinen Lehren auf gewisse wahrhafte Begebenheiten aus der Geschichte gezeigt wird; und endlich durch Erdichtungen, die öfters bessere Wirkungen thun können, als die Beispiele, weil sie 1) durch die Nachahmung angenehmer werden, und 2) wahrscheinlicher, und nicht so sehr mit fremden Begebenheiten untermischt seyn müssen, als die wahrhaften Begebenheiten in der Natur.

§. 9.

Wer die symbolische Erkenntniß von dem Werthe der Tugend mit der anschauenden Erkenntniß verbindet, der hat seine untern Seelenkräfte mit den obern übereinstimmend ge= macht, und ist vollkommen tugendhaft.

a) Wer sich mit der symbolischen Erkenntniß begnügt, der wird sich entschließen, tugendhaft zu seyn; allein sein Entschluß erreicht seine Wirkung nicht, wenn sich ihm eine sinnliche Lust widerset, deren Quantität größer ist, als die Quantität der sym bolischen Erkenntniß.

b) Die bloße anschauende Erkenntniß giebt erstlich nicht die völlige Gewißheit, die den Tugendhaften tenacem propositi macht; zweitens ist sie trüglich, weil unsere Urtheilskraft leicht verführt werden kann, wenn sie sich mit Erempeln ohne Beweis begnügt; drittens kömmt sie nicht so leicht in das Gedächtniß zurück, wenn ihr Gegenstand abwesend ist, und vielmehr das Object einer finnlichen Lust, eines Scheinguts auf die Sinne wirkt.

c) Die symbolische Erkenntniß kommt bei jedem Vorfalle leichter in das Gedächtniß zurück, und giebt unserm Urtheile den Charakter der Untrüglichkeit; die Einbildungskraft erinnert uns der öfters damit verknüpften intuitiven Erkenntniß, und diese vermehrt die Quantität der Motiven.

§. 10.

Die sittliche Empfindlichkeit besteht in einer schnellen Vorstellung des wahren oder scheinbaren Guten, das in einem Gegenstande anzutreffen ist.

a) Sie ist also, ohne Hülfe der Urtheilskraft, gegen tugendhafte und lasterhafte Neigung gleichgültig.

b) Wer die Empfindlichkeit eines Menschen vermehrt, hát ihn dadurch noch nicht tugendhaft gemacht, wenn er nicht zugleich seine Urtheilskraft gebessert hat.

c) Das Temperament kann den Menschen weder tugendhaft, noch lasterhaft machen; sondern es vermehrt oder vermin= dert bloß den Grad der angebornen sittlichen Empfindlichkeit.

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