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manches nichtsbedeutende Urtheil, einige schlechte Einwürfe, und vielleicht noch schlechtere Beantwortungen vorkommen. Die Gründe für und wider das Leben und die Fruchtbarkeit der Saamenthierchen sind von dem Herrn von Haller weit gründlicher auseinandergefeßt worden. Hr. Ledermüller scheint in seiz nem Versuch zu einer Rechtfertigung der Saamenthierchen" nur die Stimmen fammeln zu wollen.

Eine einzige wichtige Stelle führt er dennoch an, die vielleicht mehr entscheidet, als alles, was jemals zum Behuf der Lehre von den Saamenthierchen ist gesagt worden. Ich meine das Schreiben des fel. Hrn. Lieberkühn an den Hrn. Profesfor Hamberger, das der Lehtere in seiner Physiologie einges schaltet hat. Je weniger Schriften die gelehrte Welt von ei nem Lieberkühn aufzuweisen hat, desto kostbarer muß den Liebhabern der Wahrheit jede Zeile seyn, die man von demselben aufbehalten; und gegenwärtiger Brief ist von der Beschaffenheit, daß man ex ungue leonem erkennt. Man sieht mit Verwunderung, wie viel ein Genie vermag, wenn es mit Geduld und Geschicklichkeit in den Handgriffen in einem Subject zusammenkommt.

Ich schweige von den vortrefflichen anatomischen und phyfiologischen Ideen, die dieser große Naturforscher in besagtem Schreiben außert, und mit der Unachtsamkeit eines Mannes, der zu viel vermag, gleichsam verschwendet. Die Wissenschaften find gedoppelt zu bedauern, wenn diese großen Anschläge mit ihm gestorben sind; wenn es ihm seit der Zeit, da er diesen Brief geschrieben, an Lust oder an Gelegenheit gefehlt hat, selben ins Werk zu richten.

(Der Beschluß folgt.)

dies

XII. Den 22 März 1759.

Beschluß des 28 sten Briefes.

Die Beobachtung der Saamenthierchen aber, die er in eben demselben Sendschreiben seinem vormaligen Lehrmeister mittheilt, kann ich bei dieser Gelegenheit unmöglich übergehen. Sie sind außerordentlich und entscheidend genug, dem verjährten Streit der Weltweisen wegen der Erzeugung der Thiere auf einmal ein Ende zu machen, wenn sie von andern Naturforschern bestätigt werden sollten. Man zweifelt, ob in dem Saamen Thierchen sind, ob diese Thierchen zur Beugung der Frucht unmittelbar dienen, oder nur eine Nebenverrichtung dabei haben, wie der Herr von Maupertuis in der Physik der Venus behaup tet; und wenn die Thierchen unmittelbar zur Befruchtung die nen, so zweifelt man noch, ob die Frucht aus einem einzigen Thiere entsteht oder aus vielen zusammengesett wird? Wenn das richtig ist, was Hr. Lieberkühn gesehen haben will, so ist alles entschieden. Er hat ein Saamenthierchen gleichsam auf der That ertappt, eben da es im Begriff war, sich in die Frucht zu verwandeln.

Er bekam ein Eichen oder eine sehr kleine menschliche Frucht, die man mit dem weggehenden Blute in einer Thee schale aufgefangen hatte. Nachdem er die feinen Fåferchen, die wie die Placenta aussahen, mit dem allersubtilsten Zånglein einzeln ausgerauft, und ein dünnes Häutchen, das die Frucht umgab, durch die Kunst geöffnet; entdeckte er statt der Frucht, die er suchte, die Gestalt eines ordentlichen Saamenthierchens mit zwei anhangenden Körperchen, welche er für die Herzkam mern halten zu müssen glaubte. Diese anhangenden Körperchen, sagt Lieberkühn, habe er auch sonst an. den Saamenthierchen wahrgenommen, obgleich nur mit den besten Glåsern, in einer gewissen Lage, und mit Mühe und Aufmerksamkeit. Hat es nun mit dieser Ähnlichkeit der Frucht mit den Saamenthierchen seine Richtigkeit, so ist gar nicht zu zweifeln, daß die Saamenthierchen die Grundbildung des Menschen enthalten.

Es gelang unserm Naturforscher, sich von dieser ähnlich. keit zu überzeugen. In einer trächtigen Hündinn fand er eine Frucht, die der vorhin angeführten menschlichen ähnlich war. Was aber dort wie das Schwänzchen eines Saamenthierchens aussah, hatte sich hier in den Rückgrat verwandelt. Die Wirbelbeine und die Seiten-Fortsäge waren durch ein mittelmäßiges Glas zu erkennen; die spißigen Fortsäge aber waren noch nicht gebildet. An den mit Blut gefüllten Körperchen zeigte sich die Corta. Was konnten sie selbst also anders seyn, als die Herzkammern? Hieraus schloß Lieberkühn nicht nur mit mehrerer Gewißheit, daß die Frucht wirklich aus einem Saamenthierchen entspringe; sondern er gerieth auf eine neue Wahrheit, daß nämlich das Schwänzchen des Saamenthierchens zum Rückgrat werde. Diesen Gedanken erinnere ich mich auch schon in Hals ler's Anmerkungen über die Boerhavischen Vorlesungen angetroffen zu haben. Allein Lieberkühn hat diese Hypothese fast in einen Erfahrungssag verwandelt.

Er legte die Hypothese zum Grunde: das Schwänzchen ,,des Saamenwůrmleins wird zum Rückgrade des künftigen ,,Thiers". Aus dieser zog er Folgerungen, und verglich sie mit der Erfahrung; wenn Sie ihm anders glauben wollen, daß er erst geschlossen und hernach Erfahrungen angestellt habe. Wenigstens haben wir keinen Grund, seine Aufrichtigkeit hierin in Zweifel zu ziehen; und ich glaube, Hr. Lieberkühn habe wenig Muße gehabt, verlorne Versuche anzustellen. Er schloß also fol. gendergestalt: Die Fische müssen nach dieser Voraussehung an ihren Saamenthierchen lange, aber schwer zu erkennende Schwänze haben; denn sie haben viele Wirbelbeine, aber ihre Knochen sind durchsichtig. Die Frösche und die Schnecken müssen Saamenthierchen ohne Schwänze haben, denn sie haben keine Wirbelbeine. An den Thierchen der Schildkröten muß etwas besonderes zu sehen seyn. Denn weil sie das Schild statt des Rückgrats haben, so müssen ihre Saamenthierchen hinten dick, unbeweglich, und mit keinen Schwänzen versehen seyn. Da sie aber vorn einen Hals mit einem kleinen Kopf haben, der beweglich ist, so müssen die Saamenthierchen derselben vorn so etwas wie ein Schwänzchen haben, sich damit bewegen, und also mit dem, was sonst das Köpfchen zu seyn pflegt, hinten nach, mit dem Schwanze aber voranrücken; denn sonst müßte sich das Thier wirklich rückwärts bewegen.

Alle diese kühnen Vermuthungen trafen ein. Man liest mit so viel Erstaunen als Vergnügen, wie genau Lieberkühn die Erfahrung mit seinen vorher gemachten Schlüssen hat übereinstimmen sehen. Die Natur scheint sich gleichsam nach den Einfällen ihres Lieblings bequemt zu haben.

Ein jeder Liebhaber der Wahrheit muß diese Beobachtungen von einem geschickten Naturforscher wiederholt zu sehen wůnschen. Wenn man sie bewährt fånde, so würde es um manche gekunstelte Lehrgebäude von der Erzeugung gethan seyn, die bisher Aufsehen gemacht haben. Die innerlichen Formen" des Buffon, die „plastischen Maschinchen“, das „Mengsel vom månnlichen und weiblichen Saamen", und taufend andere wohlausgesonnene Kunstwörter, die man für Lehrbegriffe gehalten hat, würden der einfältigen und ungekünstelten Wahrheit Plag_machen müssen.

29ster Brief.

Sie finden den aus dem Cicero angeführten Sah zwar nicht ungereimt: singularum rerum singulas proprietates esse, oder wie ich ihn mit andern Worten ausgedrückt: nichts kommt einem Dinge völlig so zu, wie es einem andern Dinge zukommt. Sie möchten ihn aber nicht gern für die Langeweile annehmen. Die Erfahrung scheint für ihn die Gewähr zu leisten; allein Sie fordern Beweise, dadurch die Allgemeinheit eines Grundfases außer Zweifel gefeßt werden muß. Vielleicht kann ich Sie befriedigen! Ich muß mich aber vorerst erklären, wie ich diesen Sak verstehe. Man läugnet, wie mich důnkt, keinesweges, daß eben dieselbe beständige oder veränderliche Eigenschaft ver schiedenen Dingen zukommen kann; man ist nicht in Abrede, daß der abgezogene Begriff des Geschlechts in allen darunter enthaltenen Arten, so wie der abgezogene Begriff einer Art in allen einzelnen Dingen anzutreffen sei, die sie in sich begreift. Man behauptet aber, daß dieser abgezogene Begriff des Ge schlechts in verschiedenen Arten verschiedene Bestimmungen und Einschränkungen erhalte, dergestalt daß er einer Art nicht völlig so zukommen könne, wie einer andern; und dieses gilt auch von

den Bestimmungen, welche die Art ausmachen, in Ansehung der einzelnen Dinge: dergestalt, daß keine einzige Bestimmung zweien Dingen auf eine völlig ähnliche Weise zukomme. Wenn Cicero die angeführten Worte nicht so verstanden, so hätte er fie meines Bedünkens doch so verstehen sollen.

Die Wahrheit dieser Behauptung zu beweisen, bediene ich mich des Baumgarten'schen Grundsaßes, daß „nichts in der Welt ohne Folgen sei" *). So wenig ein Ding ohne zureis chenden Grund ist, daraus sich alles verständlich erklären läßt, was dem Dinge zukommt; eben so wenig ist etwas so unfruchtbar, daraus nichts folgen, dadurch sich nichts sollte er Elåren laffen. Ich sehe diesen Grundsaß als bewiesen zum

voraus.

Nun sei a diejenige Bestimmung, die zwei Dingen, b und c, auf eine völlig ähnliche Weise zukommen soll. Sie wird also in b mit den übrigen Bestimmungen d, e, f u. s. w.; in c aber mit den Bestimmungen g, h, i u. s. w. verbunden seyn. Die Verschiedenheit der übrigen Bestimmungen, mit welchen die Bestimmung a in verschiedenen Vorwürfen, b und c, verbunden ist, kann in Ansehung dieses a selbst nicht ohne alle Folgen seyn. Daher muß a in dem Vorwurfe b andere Einschränkungen und Abänderungen leiden als in dem Vorwurfe c, und folglich beiden nicht völlig auf eben die Weise zukommen. Aus dem angenommenen Sahe also, daß etwas zwei Dingen auf eine völlig ähnliche Weise zukommen könne, find wir durch eine bündige Schlußfolge auf den entgegenstehenden Sak gekommen, daß nämlich nichts einem Dinge so zukommen könne, wie es einem andern Dinge zukommt; und also wåre mein Sah erwiesen.

Damit Sie aber auch an der Fruchtbarkeit dieses Grundsages nicht zweifeln; so will ich Ihnen einige Folgerungen hersehen, die sich aus dem Saße des Nichtzuunterscheidenden, wie er in den Schulen gelehrt wird, nicht ohne Umschweif beweisen lassen, aus diesem weit allgemeinern Grundsage aber gleichsam von selbst fließen. Diese sind:

1) keine Eigenschaft kann mehr als einer einzigen Selbstständigkeit im höchsten Grade zukommen;

*) Nihil est sine rationato. Baumg. Metaph. §. 23.

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