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2) einem zusammengefeßten Wesen kann nicht eine einzige Bestimmung im höchsten Grade zugeschrieben werden;

3) ein Wesen, dem eine einzige Eigenschaft im höchsten Grade zukommt, muß auch alle übrige Eigenschaften im höchsten Grade besigen, und folglich unveränderlich seyn;

4) es giebt so wenig vollkommen harte und elastische, als vollkommen dichte und lockere Körper in der Natur; denn auch die Eigenschaften, die Phänomena sind, können dem Körper nicht im höchsten Grade zukommen.

Alle diese wichtigen Säße ergeben sich von selbst, wenn wir den Sag des Nichtzuunterscheidenden auf alle mögliche Ac= cidentien ausdehnen, die einem Wesen zukommen können. Die Beweise davon belieben Sie selbst in schulgerechte Form zu bringen.

Aus dem zweiten Theil.

XVI. Den 19 April 1759.

34ster Brief.

Kennen Sie einen deutschen Professor, der Leibniz des Hylozoismi *) beschuldigt und beim Glissonius das ganze Leibnißische System zu finden geglaubt hat? Hier ist eine kleine Differtation, die im Jahr 1758 zu Gröningen herausgekommen, in welcher die Sache unsres großen Leibniz gründlich vertheidigt wird. Sie führt den Titel: Friderici Adami Widderi A. L. M. Phil. Dr. et Prael. Publ. Dissertatio philosophica

*) Ein Lehrgebäude, nach welchem man der Materie ein Leben zufchreibt; von viŋ die Materie, und swń das Leben.

de Hylozoismo et Leibnitianismo. Die philosophischen Kunstrichter pflegen zwar sehr oft Lehrmeinungen verschiedener Weltweisen zusammenzureimen, die in der That kaum einige allgemeine Grundsäge mit einander gemein haben. Sie kennen die Systeme der Weltweisen, so wie unsere politischen Geschichtsschreiber die Geheimnisse der Cabinette, nur von der äußern. Seite, und wie sie ihnen in öffentlichen Blåttern vorgestellt werden. Sie urtheilen aber desto zuversichtlicher, je weniger sie wissen; und da ihnen die Redensarten und Formeln eines jeden Systems geläufig sind, so können sie mit leichter Mühe in den Meinungen der Weltweisen Ähnlichkeiten finden, wo keine sind. Vielleicht sind aber so verschiedene Lehrgebäude als des Glissonius und des Leibniz selten für eins gehalten worden. Was muß der für einen Begriff von Leibnizens System haben, der ihn für einen Hylozoiten hålt?

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Leibnik, der da behauptet, die Materie sei keine wirkliche Substanz, sondern nur eine selbstständige Erscheinung; er, der zu den einfachen Dingen seine Zuflucht nehmen muß, weil er die Eigenschaften der trågen Materie nicht für die Quelle der Bewegung halten kann; der kann doch wohl unmöglich dieser trågen, und nach seinem System bloß leidenden Materie ein Leben zugeschrieben haben? Daß aber Glissonius die Materie wirklich für belebt gehalten, zeigt der bloße Titel seines philofophischen Tractats *). Ich will Ihnen die kurze Parallele zwi= schen dem Leibnißischen und Glissonius'schen Lehrgebäude hersehen, mit welcher Hr. Widder seine Differtation beschließt. Entgegengesetter können sich kaum zwei philosophische Lehrgebäude seyn!

Glissonius.

,,Ich nehme keine einfache Substanzen an, aus welchen ,,die Körper bestehen sollten; und halte vielmehr die Materie felbst für eine Substanz, und ihre Natur für ein gewisses be,,lebtes Principium, das sowohl den geistigen als materiellen

Tract. de natura substantiae energetica, s. de vita naturae, ejusque tribus primis facultatibus, perceptiva, appetitiva, & motiva. Lond. 1672. 4o.

,,Substanzen zukommt. Dieser erzeugenden und mit Leben be gabten Natur eigne ich eine solche Kraft zu, daß sie nicht nur ,,von allem, was geschehen soll, und wie es am füglichsten ins Werk zu richten, eine genaue Kenntniß hat, sondern sogar in ,,den Thieren den Leib und die Sinne bauet. Indessen ist diese Natur keinen mechanischen Geseßen unterworfen, sondern die Materie wirkt alles durch ihr innerliches Leben; sie ist sich ih ,,rer selbst bewußt, ordnet, unternimmt und vollzieht alles mit Vernunft. Alle Bewegungen also, die wir in den Körpern „wahrnehmen, find Wirkungen und Anzeigen dieses in der Ma,,terie verborgenen Lebens".

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Leibniz.

„Ich halte die Materie, oder dasjenige, was in dem kör: ,,perlichen Wesen ausgedehnt und träge ist, für keine Substanz. Ich behaupte, sie sei bloß eine Erscheinung, deren zureichender „Grund in den einfachen Substanzen zu suchen ist, die nach ei,,nem gewissen Geseze mit einander verknüpft sind, einen Körper ,,auszumachen. Ich lege aber allen Substanzen, die zusam ,,mengeseßten nicht ausgenommen, eine Wirkungskraft bei, von ,,welcher alle Veränderungen, die natürlicher Weise mit ihnen ,,vorgehen, hergeleitet werden müssen; aber nicht wie Einige, ,,die Gott unmittelbar alles verrichten lassen; auch nicht wie die,,jenigen, die zu erzeugenden und belebten Naturen ihre Zu ,,flucht nehmen, um die Erscheinungen in der Natur zu erklå,,ren. Dieses sind Hirngeburten der Weltweisen, die mehr ,,träumen als philosophiren. Die Bewegungskraft, die ich allen ,,Körpern zuschreibe, hat weder Leben noch Bewußtseyn, son,,dern ist gewissen mechanischen Gesehen unterworfen, nach wel,,chen sie ihre Wirkungen ausübt, sobald ihr durch einen Stoß ,,die Gelegenheit dazu gegeben wird".

Vielleicht hat der Tadler Leibnizens die dunkeln Vorstellun gen, die dieser Weltweise den einfachen und wahren Substanzen beilegt, für das Leben der Materie genommen. Allein wußte er denn nicht, daß nach Leibnizens System den Kräften der einfachen Substanz weder Bewußtseyn noch Vernunft zukommt? ja daß sie eigentlich keine Bewegungen wirken, sondern in andern einfachen Substanzen solche Veränderungen hervorbringen, daraus im Zusammengeseßten eine Erscheinung erfolgt, die wir

Bewegung nennen? Muß man also nicht alle Begriffe um kehren, wenn man die einfachen Substanzen Materie und ihre Kräfte Leben nennen will?

So gründlich aber Hr. Widder zeigt, wie verschieden die Systeme sind, die man für einerlei hat halten wollen; so ist er dennoch an einem andern Orte in einen ähnlichen Fehler verfallen. Er behauptet *), Spinoza habe seine vornehmsten Lehren Strato dem Lampsacener zu danken; da doch Strato und Spinoza vielleicht eben so verschiedener Meinung gewesen, als Glissonius und Leibniz. Alles, was wir von dem System des Strato wissen, besteht in folgenden vier Säßen, die uns Cicero und Plutarch auföehalten haben **):

1) In der Natur befindet sich die völlige göttliche Kraft, welche Dinge erzeugt, vermehrt und vermindert, aber nichts empfindet.

2) Eine Welt zu verfertigen, hat man keine Wirkungen der Götter vonnöthen; die Natur kann alles verrichtet haben, was nur vorhanden ist. Nicht daß die Dinge aus rauhen und glatten, mit einfachen oder doppelten Spigen versehenen Körperchen, die im Unendlich-Leeren herumschwimmen, entstanden wären; dieses waren seiner Meinung nach Träume des Democritus, die er für die Langeweile angenommen; sondern

3) Alles was geschieht, geschieht durch Gewicht und Bewegung.

4) Die Welt ist kein Thier, sondern das Natürliche folgt auf dasjenige, was zufälliger Weise oder von ungefähr geschieht. Der Anfang nämlich war eine zufällige Bewegung, die Eigenschaften der natürlichen Dinge aber haben sie fortgesetzt.

So viel man aus diesen wenigen Såßen schließen kann, muß Strato ungefähr dieses System gehabt haben. Er hielt nämlich die Materie für ewig, und glaubte, es herrsche kein Geist in der Natur, der sie regiere; sondern eine göttliche Kraft ohne Empfindung sei in derselben anzutreffen, die vermittelst des Gewichts und der Bewegung alle Veränderungen in der Welt

*) S. III. c. 1. §. 5.

**) Vid. Brucker, Hist. crit. phil. Tom. I. p. 846.

hervorbringt. Diese Bewegung sei nicht so ewig als die Materie; sondern nachdem sie einst von ungefähr oder von selbst entstanden, werde sie nunmehr durch die Eigenschaften der Dinge fortgeseht und unterhalten.

Sagen Sie mir doch, was hat also Strato mit einem Weltweisen gemein, welcher glaubt, es existire nicht mehr als eine einzige Substanz, die eine unendliche Ausdehnung und eine unendliche Denkungskraft hat, und alle Körper wären Modificationen dieser allgemeinen Ausdehnung, so wie die Seelen der allgemeinen Denkungskraft? Hierin liegt der Grund des Spinozistischen Lehrgebäudes. Wo lehrte Spinoza aber, daß die Materie eine göttliche Kraft ohne Empfindung habe? Wo hat Spinoza je daran gedacht, alles durch Gewicht und Bewegung erklären zu wollen? Hielt er nicht vielmehr die Ausdehnung und die Gedanken, so wie Des Cartes, für Dinge von ganz verschiedener Natur? Ist es nicht eine von seinen Hauptlehren, daß man die Modificationen der Gedanken nicht durch Gewicht und Bewegung erklären könne? Hat Spinoza der Bewegung einen Anfang zugeschrieben, und zwar einen Anfang von ungefahr? Muß nicht vielmehr seiner Meinung nach sowohl die Bewegung, als die Materie nothwendig seyn? Man kann hieran unmöglich zweifeln, wenn man nur ein wenig mit Spinoza's Irrthümern bekannt ist. Das Einzige, worin dieser Weltweise mit dem Strato vielleicht übereinstimmen möchte, ist, daß sie beide dem höchsten Wesen die Freiheit des Willens ab: sprechen; aber auch dieses nur vielleicht; denn Brucker bemerkt mit Recht, daß aus allen Überbleibseln des Stratonischen Sys stems mit keiner Gewißheit erhelle, was er von Gott gehalten habe. Den Einfluß desselben in die materielle Welt mag er allenfalls geläugnet haben. Dieses aber hat er weniger mit Spinoza, als mit vielen andern irrigen Weltweisen gemein.

Was Sie am meisten befremden wird, ist die Art und Weise, auf welche Hr. Widder dem Spinoza mitfährt. Welche bittere Beschuldigungen!,,Sed hominem (Spinozam) quoque Atheorum fontibus hortulos irrigasse suos, Deumque, licet nullum prorsus agnosceret coleretque a mundo distinctum, ideo tantum in Ethica sua diligenter admodum nominasse, ut omnem amoveret invidiam, turpitudinemque disciplinae suae tegeret facilius et dissimularet". Ist diese Lieblofigkeit einem Weltweisen anständig? Muß denn Spinoza, weil

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