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Man nehme also eine gerade Linie, welche die Distanzen aus: drückt, für die Are an; von dem Punkte der völligen Berührung, wenn eine möglich wäre, rechne man auf beiden Seiten die Abscissen, deren jeder bald rechts, bald links eine gewisse Ordinate zukomme. Diese Ordinaten mögen die Kräfte ausdrücken, die jeder Abscisse oder Entfernung zusagen. Die krumme Linie, welche alle diese Ordinaten umschränkt, kann nach einem einfachen Geseze beschrieben werden, und dennoch die Are verschie dentlich durchkreuzen; daher denn die Ordinaten bald auf dieser, bald auf jener Seite der Ure zu liegen kommen, und folglich die Kräfte, durch die allergenaueste Ståtigkeit, bald aus dem Positiven zero und negativ, bald umgekehrt werden können.

Da, wo der Anfang der Abscissen ist, oder wo die Distanz dem Zero gleicht, muß durch die Are eine senkrechte Linie gezogen werden können, welche die krumme niemals berührt. Denn sollte sie dieselbe berühren, so würde sie eine Ordinate seyn, folglich den Grad der Kraft ausdrücken, mit welcher sich zwei Punkte zurückstoßen, wenn ihre Entfernung dem Zero gleicht. Wenn sich also die Punkte mit einer Kraft nåherten, die diese Ordinate übertråfe, so würden sie zur völligen Berührung zugelassen werden; und diese findet in der Natur nicht statt. Da= her muß die senkrechte Linie, wenn sie auch unendlich verlängert wird, die krumme Linie nicht berühren. Indessen wird ihr diese doch immer nåher kommen, weil die Ordinaten in dieser Gegend desto größer werden, je kleiner die Distanzen sind. Eine solche gerade Linie wird von den Mathematikverständigen eine Asymptote, und der Theil der krummen, der mit ihr fortläuft, ein asymptotischer Schenkel genannt. Die Linie der Kräfte nimmt also ihren Anfang von einem asymptotischen Schenkel, schlängelt sich nachher verschiedentlich bald neben, bald durch die Are; bei welcher Gelegenheit sie alle die Krümmungen machen kann, die zur Erklärung der natürlichen Begebenheiten erfordert werden. Hr. Boscovich wagt aber weder, die Natur dieser Krümmungen, noch die Anzahl der Punkte zu bestimmen, in welchen die krumme Linie die Are durchschneidet.

In einer gewissen Distanz erlangt die Kraft des Hrn. Boscovich die Natur der Newton'schen allgemeinen Schwere; und wenn diese anders von dort aus unendlich fortgeht, und nirgend wieder zurückstoßend wird, so wird die Linie der Kräfte fich allda abermals in einem asymptotischen Schenkel endigen,

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welcher der Linie der Newton'schen Schwere, oder der Hyperbel vom dritten Grade sehr nahe kommt, und mit den Sinnen kaum von derselben zu unterscheiden seyn muß; denn völlig kann er sich in dieselben nicht verwandeln, weil zwei verschiedene Curven sich nur in Punkten berühren können.

Hr. Boscovich hat in einer angehängten Kupfertafel eine solche Linie mit vielen Krümmungen und mit ihren beiden asymptotischen Schenkeln zeichnen lassen. Wem sie wegen ihrer vielen Wendungen nicht einfach genug scheinen sollte, dem giebt der Pater zu bedenken, daß uns die gerade Linie nur deswegen einfach scheint, weil wir ihren Zug mit unsern Sinnen am besten verfolgen können. Vernünftige Wesen, die andere Sinne haben als wir, meint er, könnten die Parabel einfacher finden, als die gerade Linie; und bei ihnen würde es keine Aufgabe mehr seyn, wie man die Parabel rectificirt, sondern vielleicht, wie man die gerade Linie parabolirt.

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Und also hätte ich Ihnen von dem ersten Theile des Boscovich'schen Werks eine Art von Auszug gemacht, wenn sich anders von dergleichen Schriften ein Auszug machen läßt. Den 2ten und 3ten Theil haben Sie noch zu erwarten. Im 2ten wird die Verbindung zwischen den Kräften und den Distanzen genauer betrachtet, und im 3ten die Theorie auf die Naturlehre und Mechanik angewendet.

Aus dem dritten Theil.

1. Den 5 Juli 1759.

45ster Brief.

Beinahe dürfte es mich reuen, daß ich Ihnen versprochen, mit dem Auszuge aus dem Werke des Pater Boscovich fortzufahren. Der 2te Theil dieser Schrift enthält die Anwendung

der Hypothese auf die Mechanik. Der Pater läßt sich hier in ungemeine Subtilitåten ein, die ohne Figuren nicht verständlich zu machen sind; und ich möchte meine Briefe nicht gern mit mathematischen Zeichnungen aussteifen. Ich weiß wohl, daß Sie diese Spuren der Menschheit, wie sie jener Weltweise nannte, als er an einem unbekannten Ufer ausgeworfen ward, eben nicht scheuen; allein in Briefen ist kein bequemer Ort für sie, und, was das Schlimmste ist, dergleichen Speculationen lassen sich in keinen Auszug zusammenziehen. Wollen Sie mich aber durchaus bei meinem Versprechen halten, so nehmen Sie mit einigen der wichtigsten Stellen vorlieb, die sich am leichtesten durch Worte ausdrücken lassen. Zum Glück kann ich mit Ihnen kunstmäßig sprechen, denn Sie sind mit vom Gewerke!

Sie werden sich der Linie der Kräfte noch zu entsinnen wissen, auf welcher die Hypothese des Hrn. Boscovich beruht. Sie werden sich erinnern, daß die Are die Entfernungen, und die Ordinaten die Kräfte vorstellen, die jeder Entfernung zukommen. Die Linie, welche alle diese Ordinaten umschränkt, macht verschiedene Krümmungen, bald neben der Are her, bald durch dieselbe; daher die Kräfte bald ab-, bald zunehmen, bald anziehend, bald zurückstoßend werden. In denjenigen Punkten aber, wo die Linie die Are durchkreuzte, werden die Kräfte dem Zero gleich. Hr. Boscovich nennt diese Durchkreuzungspunkte die Schranken. In der Entfernung dieser Schranken erlangen die Punkte der Materie keine neuen Kräfte, weil hier die Or dinaten verschwinden. Wenn also die Punkte, indem sie in die Schranken eintreten, keine respective Geschwindigkeit haben, und folglich respective ruhen, so beharren sie in diesem Zustande, bis sie von einer andern Kraft aus ihrer Lage verrückt werden; haben fie aber bei ihrem Eintritte in die Schranken irgend eine re spective Geschwindigkeit gehabt, so verlassen sie die Schranken mit dieser Geschwindigkeit, und gerathen in eine Gegend, wo sie nach Beschaffenheit der Ordinaten entweder vermindert oder vermehrt wird. Die Quadrate von dieser Verminderung oder Vermehrung der respectiven Geschwindigkeit verhalten sich, wie Hr. Boscovich beweist, so, wie die Räume, welche die Ordinaten in ihrer allmåligen Fortrückung beschrieben haben: wenn man nåmlich die Summa der positiven Räume von der Summa der negativen, oder diese von jener abzieht.

Sie sehen, daß Hr. Boscovich eine Kraft der Trägheit zu. geben müsse, ob er gleich derselben mit keinem Worte gedenkt. Seine Punkte bleiben entweder in Ruhe, oder behalten die Ges schwindigkeit, die sie einmal besigen, so lange, bis andere hinzukommende Kräfte ihren Zustand verändern. Hr. Boscovich muß also das erste Newtonische Gesek der Bewegung völlig in sein System aufnehmen. Dieses lautet:,,ein jeder in Bewegung ge,,seßter Körper wird sich mit eben der Geschwindigkeit nach einer,,lei Richtung unendlich fortbewegen, wenn sein Zustand nicht ,,von neuen hinzukommenden Kräften verändert wird"; nur daß nach dem System des Paters die Entfernung allein allezeit hinreichend ist, dem bewegten Körper neue Kräfte mitzutheilen, und seine Geschwindigkeit bald zu vermindern, bald zu vermeh= ren, bald sogar in eine entgegengeseßte Geschwindigkeit zu verwandeln. Damit aber wird der Allgemeinheit des Gesezes nichts benommen. Die Punkte und Theile der Materie müssen immer noch, an und für sich, gegen Ruhe und Bewegung gleichgültig seyn; d. h. sie müssen, wie man sich auszudrücken pflegt, eine Kraft der Trägheit besigen. Ich möchte wissen, warum Hr. Boscovich von dieser Kraft geschwiegen, und wie er sie aus seiner Hypothese herleitet?

Die Beschaffenheit der krummen Linie giebt dem Hrn. Boscovich Gelegenheit, einige allgemeine Eigenschaften derselben festzusehen, unter welchen folgende in seinem System die fruchtbarste zu seyn scheint.

Die vorhin erwähnten Schranken sind von zweierlei Art. Denn entweder waren die Kräfte vorher zurückstoßend und werden nachher anziehend, oder sie waren vorher anziehend und werden hernach zurückstoßend; und man sieht leicht, daß diese beiden Arten, so lange die Curve sich durch die Are schlängelt, beständig mit einander abwechseln müssen. Beide kommen darin überein, daß, wenn zwei Punkte sich in der Entfernung einer von diesen beiden Schranken in respectiver Ruhe befinden, sie in diesem Zustande beharren müssen. Wenn sie aber einmal aus dieser respectiven Ruhe verrückt werden, so werden sie in den Schranken von der ersten Art ihrer fernern Verrückung widerstehen, und sich bestreben, in ihren vorigen Stand zurückzukehren; in den Schranken von der zweiten Art aber werden sie fich immer mehr entweder einander nåhern, oder von einander entfernen. Denn wenn ihre Entfernung vermindert wird, so

werden sie sich in dem ersten Falle einander wiederum zurückstoßen, und ihrer fernern Näherung widerstehen; in dem lehtern Falle aber werden sie sich mit vermehrter Kraft einander nåhern. Wird hingegen ihre Entfernung vermehrt, so erfolgt das Gegentheil; denn in dem ersten Falle gerathen fie in die Gegend der anziehenden Kräfte und kehren folglich in ihre erste Lage zurück; in dem zweiten Falle aber werden die Kräfte zurückstoßend, da her sie sich immer mehr von einander entfernen. Hr. Boscovich nennt die Schranken von der ersten Art die Schranken des Zusammenhangens (limites cohaesionis), die von der zweiten Art aber die Schranken des Nicht zusammenhangens (limites noncohaesionis); und sie können sich leichtlich vorstellen, wie sehr ihm diese verschiedene Schranken in der Anwendung seines Systems auf die Naturlehre dienen werden. Hr. Boscovich hålt sich auch ziemlich lange bei der Betrachtung derselben auf, und beweist sogar aus denselben, daß sich die Punkte der Materie in gewissen Fällen beständig schwingen, d. i. sich wechselsweise einander nåhern und von einander entfernen müssen; welches alles ihm, wie er verspricht, in Erklärung der Naturbegebenheiten von unsåglichem Nußen seyn wird. Er will das Gåhren und Aufbrausen, die Bewegung der Lichtstrahlen, die Natur der elastischen und weichen Körper u. s. w. aus der Zusammensehung dieser verschiedenen Arten von Bewegungen erElåren, welches er aber hier nur gleichsam berührt; die weitere Ausführung davon erspart er sich bis auf den 3ten Theil.

Der Pater kommt hierauf zu dem System dreier Punkte, die in einander wirken, welche Materie ihm zu einigen sinnreichen Speculationen Anlaß giebt. Je schwieriger aber die Lehre von den wechselweisen Wirkungen dreier Körper überhaupt ist, desto mehr verdient Hr. Boscovich an dieser Stelle selbst nachgelesen zu werden. Erlauben Sie also, daß ich sie ganz überschlage, und zur Betrachtung der zusammengeseßten Massen komme. Sie werden vermuthlich gern erfahren wollen, wie Hr. Boscovich die gemeinen Gefeße der Bewegung mit seiner Hypothese vereinigt; denn da er eine neue Theorie der Bewegung zum Grunde legt, so muß er auch die Gefeße auf eine ihm eigene Art daraus herleiten. Wir wollen also sehen!

Wir kommen erstlich zu den Eigenschaften des Schwerpunkts. Dieser, sagt Hr. Boscovich, gehört zu der Betrachtung der Masse überhaupt, ob er gleich dem Namen nach bloß für

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