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und Stil der alten allegorischen Moralitäten. In einem dieser Lustspiele sind die handelnden Per sonen die personificirten Begriffe Zuviel (Trop), Wenig (Peu), Weniger oder zu wenig (Moins) und Genug (Prou, nach dem alten Französischen für Afflès). Neue Aussichten in der französischen Poesie zu entdecken, fühlte also die Königin von Nas varra nicht das mindeste Bedürfniß.

Die Poesie kam nun unter den Damen am französischen Hofe zu einem neuen Ansehen, aber ohs ne Gewinn für die Kunst. Auch Marie Stuart, die unglückliche Königin von Schottland, machte französische Lieder, als sie noch am Hofe zu Paris lebte. Aber nur der Nahme der Verfasserin giebt diesen Liedern ein Interesse *).

Das französische Theater wurde unter der Regierung Franz I. noch mit mehreren neuern Mys sterien, Moralitäten und Farcen im alten Styl vers sehen ). Aber das Publicum muß doch schon ans gefangen haben, dieser altmodischen Schauspiele überdrüssig zu werden. Die Revolution des Theas ters unter der folgenden Regierung wäre sonst wohl nicht so schnell gelungen.

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f) Ein franzosisches Trauerited von Marie Stuart findet fich in Brantome's Lebensgeschichte dieser Königin.{} g) Man sehe den 3ten Band der Hift. du théatre frai çois von den Brüdern Parfait.

Jodelle und seine Freunde.

Der Nahme des Mannes, der um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts die große Revolution des französischen Theaters bewirkte, die alten Mys sterien, Moralitåten und Farcen außer Credit sets te, und der dramatischen Kunst der Franzosen im Ganzen ungefähr die Form anwies, die nachher nur verfeinert und veredelt wurde, muß in der Ges schichte der französischen Poesie bestimmter hervors gehoben werden, als bisher geschehen ist.

Etienne Jodelle, von adelicher Famille und Erbherr auf Limodin, war im Jahre 1532 zu Paris geboren. Man weiß von seiner Jugend nichts weiter, als daß er sich vorzüglich mit der als ten Litteratur beschäftigte, und früh anfing, Verse in seiner Muttersprache zu machen. Er scheint auch damals schon Italienisch gelernt zu haben. Wes nigstens waren unter seinen ersten Gedichten, die ihm einen Rahmen erwarben, als er kaum siebzehn Jahr alt war, schon Sonette. Noch hatte er sein zwanzigstes Jahr nicht erreicht, als er den kühnen Gedanken faßte, der dramatischen Poesie seiner Nas tion eine ganz neue Richtung zu geben, und das französische Theater von Grund aus nach dem Muster des griechischen zu reformiren. gab schon ein Paar französische Uebersetzungen gries chischer Trauerspiele; aber niemand hatte nur dars an gedacht, sie auf ein französisches Theater zu brins gen. Die dramatischen Innungen der Passionsbrús der und der Schauspieler von der Basoche konns ten dergleichen Werke nicht gebrauchen. Jodelle wollte aber auch nicht Ueberseher seyn. Sein Lebs hafter Kopf war immer mit eigenen Erfindungen

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beschäftigt. Aber diese Erfindungen sollten ein class fisches Gepräge haben, und durch verständige, nicht unbedingte Nachahmung der Alten den neuen Bes dürfnissen des Zeitalters entgegenkommen. In dies fem Sinne schrieb er sein Trauerspiel Cleopatra. Schon durch die Wahl dieses Stoffs bewies er eine gewisse Selbstständigkeit; denn håtte er sich ångsta lich an die griechischen Muster gehalten, würde er eine mythische, keine historische Handlung ju einem Trauerspiele gewählt haben. Doch hielt er den Chor noch für wesentlich zur tragischen Volls kommenheit. Die Cleopatra, mit jugendlichem Feuer in wenigen Tagen niedergeschrieben, wurde von den Freunden des jungen Dichters in der Hands schrift mit Bewunderung gelesen. Man fing an, mit einander zu überlegen, ob es sich denn gar nicht eins richten lasse, das schöne neue Schauspiel dem Publis cum zu zeigen. Jodelle, der nicht hoffen durfte, bei den alten und privilegirten Theatern auch nur Schaus spieler zu finden, die fähig wären, seine Cleopatra vorzutragen, traf endlich mit seinen Freunden die Verabredung, daß sie selbst das Stück aufführen wollten. Nun fehlte aber noch das Theater. Auch diesem Mangel wurde abgeholfen. Man wählte das zu ein Hotell. Die Einfachheit der Composition des neuen Stücks verlangte feinen großen Theaters apparat. Die Rollen wurden vertheilt. 3wet Freunde von Jodelle, La Perüse und Belleau, zu jener Zeit auch als Dichter bekannt, übernahmen die Hauptrollen nach der seinigen; denn die Cleopas tra spielte Jodelle selbst, voll Vertrauen auf seine jugendliche Gestalt, sein hübsches Gesicht, und seis ne Kunft. Aber was würde das neue Schauspiel, wäre es auch noch so glücklich aufgeführt, in den Augen

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Augen des französischen Publicums gegolten haben, wenn der Hof nicht unter den Zuschauern gewes fen wäre? Es gelang dem unternehmenden Jo: delle, die Aufmerksamkeit des Hofes zu gewinnen. Der König Heinrich II. erschien selbst mit sei nem Gefolge, die Cleopatra aufführen zu sehen. Eine Menge Zuschauer, die einen feineren Geschmack, als das große Publicum, haben wollten, strömten nach. Ein rauschender Beifall krönte die Kunst des Jodelle und seiner Freunde. Der König machte dem Dichter ein ansehnliches Geschent aus seiner Sparcasse, um ihm seine besondere Zufriedenheit zu bezeigen. Von diesem Tage an war der Fall der alten Theater in Paris entschieden.

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Ware Jodelle's Cleopatra auch nicht einmal, was sie wirklich ist, das rohe Vorbild aller fölgens den französischen Trauerspiele im neuen Styl, so müßte doch die Epoche, die es macht, historisch auss gezeichnet werden. Denn es hat sich doch nirgends sonst ereignet, daß ein junger Mann von zwanzig Jahren mit Hülfe einiger Freunde eine solche Vers ånderung in der dramatischen Unterhaltung einer ganzen Nation bewirkt hätte. Allerdings waren vie alten Theater schon im Sinken. Die Mysterien waren sogar kurz vorher, im Jahr 1948, förmlich verboten, weil sie zu årgerlichen Auftritten Veran lassung gegeben hatten. Das Bedürfniß der cultivirteren Classen des Publicums war unverkennbar auf eine neue Art von Schauspielen gerichtet. Und wenn Jodelle, so weit er sich auch von den alten Theatern entfernte, nicht als Reformator der Mann feines Volks gewesen wäre, und nicht den Ton ge: troffen hätte, den man hören wollte, würde er auch

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den Hof vergebens zu seinem Schauspiele eingelas den haben. Aber gerade diese Uebereinstimmung des Geschmacks Jodelle's mit den Erwartungen der Classe des Publicums, die in der französischen Poez sie den Ton angab, macht ihn um so merkwürdiger. Jodelle ist der erste Repräsentant des neuen Ge schmacks der Franzosen in der dramatischen Poesie. Es war genau die, Zeit in der neueren Litteratur, da das Theater mehrerer Nationen den Charakter annahm, den es, übereinstimmend mit dem Natios nalcharakter, lange Zeit behielt. Ein Paar Des cennien nach Jodelle hatte Spanien seinen Lope de Vega, und England seinen Shakespear.

Nachdem die Cleopatra im Jahre 1552 mit so vielem Beifalle aufgenommen war, unternahm Jodelle auch die Reform des französischen Lust spiels. Er schrieb, eben so rasch, und eben so glücklich in der Wahl der neuen Form, seinen Abt Eugen, in der Manier des Terenz, aber nach der Idee eines französischen Nationallustspiels mit frans zösischen Sitten und Charakteren. Auch dieses Lusts spiel wurde vom Hofe und von der Stadt bewundert und beflatscht. Ob auch die Dido, das zweite Trauerspiel von Jodelle, denselben Beis fall gefunden, weiß man nicht. Jodelle's Ruhm war indessen für sein Zeitalter gegründet. Aber er hatte entweder die lust verloren, auf dem Wege, den er selbst gebahnt, fortzuschreiten, oder er hatte sich schon erschöpft. Man darf sich darüber wuns dern. Denn Jodelle dichtete beinahe fo flüchtig wie Lope de Vega. Die Cleopatra schrieb er in zehn Tagen, und den Eugen in noch kürzerer Zeit. Als man ihn officiell ersuchte, ein Fest zu Ehren des

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